Der Besuch der mexikanischen Delegation war voller Erfolg
Eine vier-köpfige Delegation aus der mexikanischen Stadt Huamantla, darunter der Präsident bzw. Oberbürgermeister der Stadt, Juan Salvador Santos Cedillo besuchte auf Einladung der Stadtverwaltung vom 18. bis 26. Juni 2022 Bad Köstritz.
Das breit aufgestellte Besuchsprogramm, das im Vorfeld mit den Mexikanern über Videokonferenzen abgestimmt wurde, war anspruchsvoll und deckte viele Facetten der bisherigen und künftigen Zusammenarbeit der Agenda 2030 ab. Als einer der Höhepunkte des Besuchs wird die Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen den Städten Bad Köstritz und Huamantla eingeschätzt. Bürgermeister Oliver Voigt sprach in seiner Rede beim offiziellen Empfang im Köstritzer Palaissaal von einem historischen Ereignis, die Bad Köstritz in seinen Bemühungen um die Globale Nachhaltigkeit einen entscheidenden Schritt weiterbringt. Der Oberbürgermeister der 100.000-Einwohner Stadt Huamantla dankte der Stadtverwaltung Bad Köstritz und allen beteiligten Akteuren für die Einladungen und die großartige Gastfreundschaft, die er und Kulturkoordinatorin Isabel Aquino Romero, Stadtratspräsidentin Eva Valencia und Nachhaltigkeitsbeauftragter Abelardo Ruiz Acevedo während des Besuches erfahren durften. Begleitet und übersetzt wurde das Besuchsprogramm von der Dahlienkönigin Michaela Grace I. und weiteren professionellen Dolmetschern.
Die Reise begann aufgrund der langen Verbindungen zwischen dem Dahlienzentrum Bad Köstritz und der mexikanischen Dahliengesellschaft beim Gartenbaubetrieb Paul Panzer. Tochter Anne-Sophie überraschte mit verschiedenen schmackhaften Dahliengerichten aus ihrem Kochbuch, dass sie auf der Grundlage der Rezepte von Guadalupe Treviño de Castro (kurz: Lupita), der Präsidentin der mexikanischen Dahliengesellschaft erstellt hat. Dirk und Katrin Panzer führten durch die Gärtnerei. Ehre wurde den Gästen zum einen mit der Taufe einer Neuzüchtung einer Dahlie auf den Namen „Huamantla Magico“ zuteil. Zum anderen verlieh Bürgermeister Oliver Voigt Juan Salvador Santos Cedillo für sein großes Engagement an dem Abend nach einer Laudatio von Wolfgang Ritschel die Christian-Deegen-Gedenkmedaille.
Am Folgetag besuchten die Gäste zunächst die Regelschule Bad Köstritz. Dort boten die Schülerinnen und Schüler verschiedener AGs ein buntes Programm von Tanz, Gesang und Musik. Unerwartet konnten die Kinder und Jugendliche der AG Aquaristik die Mexikaner beeindrucken. In eines der Aquarien schwimmen „Axolotl“. Die vom Aussterben bedrohten Tiere sind für Mexikaner heilig und zieren sogar die Rückseite des 50-Peso-Scheins, der 2021 als schönste Banknote der Welt gekürt wurde. Bei leckeren Gerichten des Schulprojekts „Essen statt Tonne“ tauschte man sich über den Schulalltag beider Länder aus. Dabei spielte die künftige Schulpartnerschaft mit der CBTIS 61 in Huamantla eine tragende Rolle.
Ein Rundum-Blick über die Stadt wurde den Gästen im Turm der Kirche St. Leonhard geboten. Beim interessanten Kirchenrundgang mit Pfarrer Andreas Schaller und Kirchenhistoriker Rainer Faber entdeckten die Mexikaner katholische Elemente in der reformierten evangelischen Kirche.
Beim Besuch des AZURIT-Pflegeheims entstand eine Idee zur Zusammenarbeit zur Ausbildung von Fachkräften in Mexiko. Die bundesweit tätige AZURIT-Gruppe greift schon seit längerer Zeit auf Fachkräfte aus dem Ausland zurück. So könnte auch Pflegepersonal in Huamantla ausgebildet werden und später in Bad Köstritz eingesetzt werden. Damit kann die hohe Arbeitslosigkeit in der lateinamerikanischen Stadt etwas eingedämmt und der Bedarf an Pflegepersonal in Bad Köstritz besser gedeckt werden. Derartige Pflegeheime gibt es in Mexiko kaum, werden doch die alten Menschen meist noch in den Familien betreut.
Große Begeisterung löste der Rundgang durch die Köstritzer Sportanlagen bei den mexikanischen Besuchern aus. Besonders bei den technischen Innovationen wie Photovoltaikanlagen auf den Freibaddächern, die neue Pumpentechnik oder die Wärmezuführung aus der Köstritzer Schwarzbierbrauerei stieß auf großes Interesse.
Derartige Themen wurden im Rittergut Nickelsdorf weiter vertieft. Ideen für deren Umsetzung im Bereich erneuerbare Energien und biologische Kläranlagen griff insbesondere der Nachhaltigkeitsbeauftragte Abelardo Ruiz Acevedo auf.
Innovativ und nachhaltig präsentierte Geschäftsführer Uwe Helmsdorf die Köstritzer Schwarzbierbrauerei. Bei einer kleinen Verkostung im Dreiseit-Hof zeigte er die breite Vielfalt der Produkte und führte anschließend durch die Produktionshallen. Er berichtete über die lange Brautradition und verwies unter anderem darauf hin, dass klimaneutral produziert und dass Brauwasser aus nahegelegenen Quellen genutzt wird. Schwarzbier ist auch im Handel in Mexiko verfügbar.
In einem Workshop im Palaissaal vermittelte eine Expertin von den Köstritzer Wohnstätten den Gästen Wissen zu Recyclingthemen, wie Mülltrennung und deren Aufbereitung. Auf diesem Gebiet wird in Mexiko besonders viel Handlungsbedarf gesehen.
Der Besuch der Verwaltung galt als wichtiger Tagesordnungspunkt. In Gesprächen mit den Mitarbeitern wurden beiderseits viel Fragen gestellt und beantwortet. Der Präsident der Stadt nimmt im Ergebnis dieses Rundganges die Erkenntnis mit, dass mit flachen und schlanken Strukturen ein Höchstmaß an Effizienz erzielt werden kann.
Ein gegenseitiger Fachaustausch erfolgte im Dahlienzentrum Bad Köstritz. Deren Leiter, Wolfgang Ritschel führte durch die Räumlichkeiten und den Lehr- und Schaugarten. In diesem Zusammenhang interessierten sich die Gäste besonders für die neu erstellten Schilder zur Partnerschaft Bad Köstritz-Huamantla. Eine ähnliche Darstellung ist auch in der mexikanischen Partnerstadt geplant. Präsident Juan Salvador Santos Cedillo und Kulturkoordinatorin Isabel Aquino Romero übergaben dem Dahlienzentrum mehrere Proben von Dahlienerzeugnissen, die für die Herstellung anderer Produkte genutzt werden können. Besonders in Huamantla strebt man an, dass die Dahlie nicht nur zur Blütezeit vermarktet wird, sondern sich auch in anderen Lebensbereichen ganzjährig wiederfinden soll. Eine entsprechende Studie der Technischen Universität Huamantla wurde dazu übergeben.
Am Abend des 21. Juni erfolgte ein Treffen mit dem Veranstalter der „Fête de la Musique“ Gera, Prof. Lothar Hoffmann. Er informierte, dass die Fête bereits das neunte Mal in Gera stattfindet und sie sich mittlerweile auch in mehreren Thüringer Städten etabliert hat. Die Veranstaltung dient zum einem dazu, junge Musiker bekannt zu machen, zu unterstützen und zum anderem zur Völkerverständigung. In Huamantla gibt es ähnliche Musikfestivals für junge Künstler, die immer sonntags stattfinden. Auf diesem Wege konnten bereits Talente entdeckt, ausgebildet und gefördert werden. Das Konzept der „Fête de la Musique“ will man in Huamantla aufgreifen und im Jahr 2023 umsetzen.
In einem weiteren Workshop unter Leitung von Agnes Merkel von Engagement Global gGmbH Bonn wurde die künftigen Themen der Zusammenarbeit priorisiert. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist dabei die Umsetzung des Schulprojekts „Dahlienanbau unter Gewächshausbedingungen“. Hierzu liegt bereits ein ausgearbeiteter Projektentwurf vor, der in den nächsten Videokonferenzen weiter konkretisiert werden soll. Die Umsetzung ist mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus dem Kleinprojektefonds in 2023 vorgesehen. Mit dem 200 qm großen Gewächshaus sollen unter anderem Bildungsmaßnahmen für sozialschwache Jugendliche ermöglicht werden.
Der Besitzer der Köstritzer Mühle, Udo Müller ermöglichte kurzfristig den Besuch der mexikanischen Delegation. Besonders für Ingenieur und Nachhaltigkeitsbeauftragter der Stadt Huamantla, Abelardo Ruiz Acevedo war diese Besichtigung ein besonderes Higlight. Udo Müller informierte u.a., dass er im Jahre 1991 die Gebäude der ehemaligen Mühle von der Treuhandanstalt zurück erworben hatte und zwei Jahre später die Wasserkraftanlage wieder aufbaute. Diese erzeugt mit zwei Turbinen 1,2 Mio. kwh Strom/Jahr, die er ins öffentliche Netz einspeist. Über 1.000 Köstritzer Einwohner werden so mit Strom versorgt.
Der Besuch des Chemiewerks Bad Köstritz wurde von der mexikanischen Delegation als besonders beeindruckend wahrgenommen. Geschäftsführer Dr. Lars Böttger führte leidenschaftlich durch die Produktionsgebäude und erklärte die Geschäftsfelder Kieselsäure, Schwefelverbindungen und Molukularsiebe. Die innovationsgetriebenen Bereiche haben hohes Zukunftspotenzial für die Produktion von technischen Gasen, zur Sauerstoffanreicherung oder für Energiespeicheranwendungen. Ein sensibler Umgang mit der Umwelt und ein nachhaltiges Entwicklungskonzept ist dabei für das Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Das Chemiewerk Bad Köstritz exportiert weltweit seine Produkte, auch nach Mexiko.
Das Eine-Welt-Haus und das Eine-Welt-Netzwerk in Jena waren tags darauf Gastgeber. Dort wurden u.a. Projekte aus den Städtepartnerschaften zwischen Jena und San Marcos in Nikaragua sowie weiteren Gemeinden in Togo und Mosambik besprochen. Viele Beispiele, wie Ausbildungspatenschaften, Schulpartnerschaften, Kleinkredite, Umwelt- und Medizinprojekte deuten auf diese seit vielen Jahren aktiv gelebten Verbindungen. Inwieweit sich davon Projekte für die Städtepartnerschaft Bad Köstritz Huamantla transferieren lassen, wird in den nächsten Videochats besprochen. Ein Blick vom Jentower und ein abendlicher Spaziergang durch die Klassikerstadt Weimar rundeten den informativen Tag ab.
Der vorletzte Besuchstag war zunächst der Kindertagesstätte gewidmet. Die Kinder begrüßten die mexikanischen Gäste mit mehreren lustigen Liedern und zeigten ihre Lieblings-Spielgeräte. Die Leiterin der Einrichtung, Conny Edel führte durch die Räumlichkeiten und Außenanlagen. Besonders fasziniert zeigten sich die Gäste von der Vielfalt der Betätigungsmöglichkeiten, um verschiedene Dinge auszuprobieren und von der weitläufigen Gartenanlage. Man werde hier eine ganze Menge an Ideen mitnehmen, hieß es zum Abschluss des Rundgangs.
Der weitere Tag stand im Zeichen der Feuerwehr. Zunächst erfolgte der Besuch der Freiwilligen Feuerwehr in der Bahnhofstraße. Stadtbrandmeister Maik Lippold informierte über die Fahrzeuge und Geräte. Besonders für die technikbegeisterten Herren war dies ein einschneidendes Erlebnis, den Technikpark und die Räumlichkeiten zu besichtigen. Der Höhepunkt war eine Fahrt mit dem Feuerwehr-B1000 und die anschließende Fahrt mit dem großen Einsatzfahrzeug zur Landesfeuerwehrschule nach Pohlitz.
Die Führung durch diese sehenswerte Anlage erfolgte vom Schulleiter, Jörg Henze. Zuvor erläuterte er anhand eines Modells die geplanten sechsstelligen Millionen-Investitionen in das Objekt, die im Laufe der kommenden zwölf Jahre entstehen werden. Die Anlage wird dann eine der modernsten Feuerwehr- und Katastrophenschutzschulen europaweit sein.
Den Abschluss des Tages bildete eine Besichtigung des Heinrich-Schütz-Hauses. Bei einer kurzweiligen Besichtigung vermittelte die Leiterin der Forschungs- und Gedenkstätte, Friederike Böcher Wissenswertes über den Köstritzer Komponisten und sein Wirken und Schaffen. Besonders interessiert waren die Besucher über die Vielzahl der historischen Musikinstrumente.
Als würdiger Abschluss einer erlebnisreichen Woche stand der Besuch der ega in Erfurt mit thematischen Führungen von Gärtnermeister Uwe Schachschal und der Direktorin des Deutschen Gartenbaumuseums, Ulrike Richter auf dem Programm. Zukunftsorientierter Gartenbau, nachhaltige und klimarelevante Nahrung, deren effiziente Produktion, Umwelt- und Artenschutz sowie die Möglichkeiten zur Kooperation auf kommunaler Ebene waren dabei die zentrale Themen. Die mexikanischen Gäste nehmen davon viele neue Erfahrungen zur Nutzung in ihr Heimatland mit. Zum Abschluss des Erfurt-Besuchs wurde das Wüsten- und Tropenhaus DANAKIL besichtigt. Dies alles geschah sogar in spanischer Sprache.
Im Ergebnis des Besuchs der Delegation aus der mexikanischen Partnerstadt Huamantla kann festgestellt werden, dass es trotz der Vielzahl der Unterschiede in beiden Städten eine Partnerschaft auf Augenhöhe ist. Die Mexikaner nehmen eine Unmenge an Ideen aus den unterschiedlichsten Bereichen mit nach Hause. Aber auch Bad Köstritz profitiert von dem internationalen Flair dieser Partnerschaft. Es ist ein Geben und Nehmen. Im Nachgang werden die einzelnen Themen in Umsetzung der Agenda 2030 aufgearbeitet, hinterfragt, priorisiert und umgesetzt. Dazu werden weiterhin die monatlichen Videokonferenzen genutzt. Diese haben nach diesem ersten Präsenztreffen deutlich bessere Rahmenbedingungen. Voraussichtlich Ende Oktober erfolgt ein Gegenbesuch in Huamantla. Die Einladung dazu wurde bereits ausgesprochen.
Im Nachgang gilt ein ganz herzlicher Dank an alle Beteiligten, die diese Woche mit Bravour vorbereitet haben und den Gästen eine unvergleichliche Willkommenskultur geboten haben. Die vier Teilnehmer der mexikanischen Delegation waren von der großen Gastfreundschaft überrascht und haben dies mehrfach während des Besuchs gewürdigt und immer wieder betont.